Almen sind ein durch Bewirtschaftung entstandener Lebensraum, ein Schatz, der bewahrt werden muss.
Beweidung ist ein bedeutender Aspekt, der nicht nur zur Erhaltung unserer Almen und der Biodiversität dieses Lebensraumes beiträgt, sondern auch eine nachhaltige Produktion von Fleisch und Milchprodukten sicherstellt. Auch Sommertourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Almregionen. Treffen diese beiden Bereiche aufeinander, führt das jedoch häufig zu Konflikten, wie z.B. Rinderattacken gegenüber Touristen. Die Folgen sind für die Touristen oft dramatisch und die daraus resultierenden (Verfahrens) Kosten für die Landwirte hoch.
Nimmt die Häufigkeit der Rinderattacken zu? Wo liegen die Ursachen? Bei den Almbesuchern oder bei geänderten Weidewirtschaftsformen?
Einerseits könnten zunehmende touristische Aktivitäten auf Almweiden, Missachtung von Verhaltensregeln, Unvernunft oder auch „Naturentfremdung“ und damit verbundene Fehleinschätzungen von Situationen eine grundlegende Rolle spielen, andererseits könnten auch geänderte Praktiken der Rinderhaltung, Ursache für die Konflikte zwischen Mensch und Weidetier sein. So wurden früher z.B. hauptsächlich Jungrinder, Jungstiere und Ochsen auf die Almweiden getrieben. Heute nehmen andere Haltungsformen, wie etwa die Mutterkuhhaltung, zu. Rinder sind Herdentiere mit einer Rangordnung, die Stabilität und Ruhe in der Herde ermöglicht und die die Individualdistanz zwischen Herdenmitgliedern beeinflusst. Aufgrund geänderter Haltungsformen könnte die Herdenstruktur instabiler werden und es könnten vermehrt negativ soziale Interaktionen auftreten, die dann auch menschliche Passanten betreffen können.
Innerhalb einer Herde findet man heute oft Jungrinder, Jungstiere, Ochsen, Mutterkühe mit ihren Kälbern und nicht selten auch adulte Stiere, die Herden sind somit möglicherweise insgesamt größer geworden? Verschiedene Faktoren erhöhen die Komplexität, Individualdistanz und Stabilität einer Herde. Die signifikante Rolle bei der Bildung und Stabilität der Rangordnung sowie der sozialen Dynamik, spielen die Mutterkühe. Sie nehmen eine dominante Rolle in der Herde ein, da ihre Verteidigungsbereitschaft auf Grund ihrer Mutterrolle zunimmt. Ihre jeweilige Stellung in der Rangordnung ist abhängig vom Zeitpunkt der Abkalbung und daher dem hormonellen Zustand der Kuh.
Hypothese: Muttertiere sind sensibel und daher störungsanfälliger, verursachen eine instabilere Rangordnung und reagieren somit auch unvorhersehbarer auf Eindringlinge. Ein Herdengefüge mit Muttertieren ist also generell unruhiger. Weiters kann auch die Tatsache, dass Milchkühe oder prinzipiell Tiere aus Anbindehaltung, die den intensiveren Menschenkontakt gewohnt sind, dazu führen, dass diese die Scheu und somit auch den Respekt vor dem Menschen verlieren und deshalb eher auf Konfrontation mit ihm gehen.
Mit Hilfe zweier Forschungsansätze wollen wir folgendes untersuchen:
1) das Verhalten von Weidetieren untereinander (ohne Störungen durch den Menschen). Nimmt aggressives Verhalten innerhalb der Herden zu? Haben z.B. Haltungsform (Anbindehaltung/Laufstall) und der Nutzungstyp (Milch/Fleisch) oder demografische Parameter (Alter, Geschlecht, reproduktiver Status) auf das Verhalten und die Interaktionen (Aggressivität) der Tiere einen Einfluss?
2) soll auch den Interaktionen zwischen Rindern und Touristen auf den Grund gegangen werden, wobei standardisierte Experimente helfen sollen Auslöser für Attacken zu erforschen.
Das Ziel dieser Untersuchung ist es, zu helfen, die Mensch-Rind Beziehung auf den Almweiden zu entschärfen.
Projektleitung: Dr. Herbert Hoi, Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung, Veterinärmedizinische Universität Wien
Finanzierung: BIOS Science Austria – Verein zur Förderung der Lebenswissenschaften
Projektlaufzeit: 1. Mai 2023 bis 30. April 2025